Wein Nr.2 an unserem Abend der Superlativen war ein großartiger Riesling in Weltklasseformat, die “Abtserde” von Klaus-Peter Keller. Fachleute weltweit sind sich einig, dass es sich bei der Abtserde und insbesondere beim Jahrgang 2012 um einen der besten Weißweine der Welt handelt - und eins gleich vorweggenommen ich sehe das auch so, auch wenn ich alles andere als ein internationaler Fachmann bin.

Die Parzelle “Westhofener Abtserde” ist ein ganz spezielles Stück Erde das sich in vielen Dingen von anderen Weinbergen unterscheidet. Die perfekte Südlage sorgt für maximale Sonneneinstrahlung, eine alte Trockenmauer schirmt den Weinberg gegen kalte Winde Richtung Norden ab und eine unterirdische Wasserader versorgt die Weinreben auch in den heißesten Sommertagen mit ausreichend Feuchtigkeit. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für einen aussergewöhnlichen Wein. Die Reben stehen eng und verlangen viel Handarbeit, weil moderne Maschinen schlichtweg nicht in die engen Gänge passen. Doch die Mühe und Akribie, die Keller hier investiert, werden mit einem Ergebnis belohnt, das seines Gleichen sucht.

Als der erste Schluck in mein Weinglas fließt, ist die Flasche bereits drei Stunden offen - ausreichend Zeit für den Wein sich adäquat zu entwickeln. Andächtig schwenke ich mein Glas und sehe zu, wie der Wein fast dickflüssig die Glaswand herunterläuft. Ich traue mich kaum den ersten Schritt zu gehen, stecke dann aber doch meine Nase ins Glas und hole tief Luft. Völlig unreflektiert platzt es aus mir heraus: “Oh, …Blumenwiese”. Um mich herum schmunzelt es. Dann Pirsicharomen, Zitronenschale, frisch gemähtes Gras. Spektakuläre Frucht und gleichzeitig unglaublich ausgewogen und harmonisch.

Der erste Schluck löst alle versprechen der Nase ein, dazu kommt eine großartige Mineralität, feine Säure, wunderbar durchgängig. Später dezentes Birnenaroma und ein schier endlos wirkender Abgang. Nach einiger Zeit, wenn alle anderen Weine schon längst weg wären bleibt immer noch ein ganz vertraut wirkendes Aroma im Mund. Ich muss einen Moment überlegen, bis ich drauf komme und traue mich dann fast nicht es zu sagen. Ich tue es aber doch: weiße Gummibärchen! Kann man das bringen? Kann man sagen ein Hundert-Euro-Wein schmeckt im Abgang nach weißen Gummibärchen? Ja kann man! Beim Wein sind alle Assoziationen erlaubt. Es gibt tolle französiche Rotweine die ganz dezent nach Katzenpisse riechen und Spanier mit Kuhmist-Note - ich liebe dass! Später lese ich in Rezensionen anderer Weinliebhaber was von “überreifer Baby-Ananas”. Kein Mensch weiß wie überreife Baby-Ananas schmeckt - oder doch? Wahrscheinlich wie weiße Gummibärchen :-).

Kellers Abtserde 2012 ist ohne Zweifel ein Riesling in Perfektion. Ein sensationelles Geschmackserlebnis voller Tiefgang und Harmonie. Zehn mal so teuer wie ein normaler Riesling aber in der Tat auch mindestes zehn mal so gut.

Klaus-Peter Keller
Abtserde, Riesling Großes Gewächs 2012
Rheinhessen
ca. € 100,-