Wenn Ihr etwas besonders leckeres esst, fragt ihr euch dann manchmal, warum das so lecker ist? Ich frage mich das ständig und bei diesem Gericht kann man das ziemlich gut erklären. Genau so wie ein Musiker nicht einfach Töne aneinander reiht, sondern sich in Rhythmus und Tonarten bewegt, gibt es auch beim Kochen Tricks für gutes gelingen.

Es gibt drei Dimensionen in denen wir Punkten müssen: Geschmack, Optik und Mouth-Feeling (Mundgefühl). In allen drei Disziplinen gibt es jeweils zwei Schrauben an denen wir drehen können: Komplexität und Balance.

1) Geschmack:

Hier gilt es zunächst eine Grundsatzentscheidung zu treffen: spielen wir ein Solo oder eine Symphonie? Für eine Suppe würden wir vielleicht die Symphonie-Strategie wählen, in diesem Fall haben wir es aber mit einem sündhaft teuren Fisch zutun, der zudem stark überfischt ist und eigentlich gar nicht mehr so oft gegessen werden sollte. Deshalb spielen wir ein Solo und lassen ihm seinen tollen Eigengeschmack, den wir nur mit etwas Wasabi und ein paar Spritzern Sojasauce unterstreichen. Die Schärfe des Wasabi bringt eine neue Geschmacksdimension (Komplexität) und das Salz in der Sojasauce bringt den Eigengeschmack des Fisches besser raus. Die Sojasauce ist zudem etwas süß - darum kümmern wir uns später.

Der Fisch ist recht mächtig und ziemlich Fett, deshalb geben wir Ihm einen Gegenspieler dazu in Form einer gehobelten Salatgurke. Die schmeckt erst mal nach ziemlich wenig, ist aber frisch, kühl und knackig. Die Gurke stiehlt dem Fisch nicht die Show, bringt aber das Gericht in die Balance.

Jetzt brauchen wir noch ein bisschen “Wums”. Damit der Gurke nicht langweilig wird, geben wir Ihr eine leichte Remoulade dazu. Mit Dill, der Gurke bester Freund und immer passend zu Fisch. Nicht zu kräftig abgeschmeckt und nicht zu viel, damit unser Solist nicht gestört wird.

Dann war da noch die Süße aus der Sojasauce um die wir uns kümmern wollten. Der geben wir für die Süß/Sauer-Balance als Spielkamerad ein paar gehackte Cornichons und etwas Zitrone in die Remoulade.

Jetzt haben wir das Gericht schön ausbalanciert - über zwei Achsen sogar: Mächtig/fett vs. frisch/leicht und süß vs. sauer.

2) Optik

Bei der Optik geht es vorwiegend um Farben und Kontraste. Rot und Grün sind Komplementärfarben. Der Fisch ist rot - also kommt obendrauf was grünes. perfekt, besser geht’s nicht. Der fast weißen Gurke geben wir den fast schwarzen Kaviar zum spielen. In Sachen Farbe und Kontrast wären wir damit schon am Ziel. Sollte es mal nicht klappen mit den Kontrasten: die Tellerfarbe zählt auch selbst wenn man ihn nicht essen kann :-). Bleibt nur noch das Anrichten. Hier ist eigentlich alles erlaubt. Türmchen bauen geht immer.

3) Mouth-Feeling

In Sachen Mouth-Feeling ist das Gericht ein echtes Feuerwerk der Gaumeneindrücke. Der eher weiche Tunfisch mit seiner ganz eigenen Konsistenz, dazu die Kügelchen des Kaviars, die faserige Kresse, dann die knackige Gurke und die cremige Remoulade - so ziemlich alles dabei was man sich vorstellen kann.

Das war’s soweit zur Theorie. Noch ein paar Worte zu den “Deko-Zutaten” - die müssen sich natürlich auch geschmacklich in das Konzept einreihen. Ausprobiert habe ich hier eine Niederländische Kresse-Züchtung Namens “Rock Chives” die botanisch wie geschmacklich eigentlich gar nichts mit Kresse gemeinsam hat. Sie schmeckt aber köstlich, leicht nach Nuss mit einer dezenten Knoblauchnote.

Als Krönung obendrauf ein Löffelchen vegetarischer Kaviar. Auch wenn alle Freunde des echten Kaviars jetzt “Alarm” schreien - das Zeug ist gut - und nein es schmeckt nicht wie echter Kaviar. Vegetarischer Kaviar wird aus Algenextrakt hergestellt und schmeckt nur ganz dezent nach Meer. Deutlich zurückhaltender als Kaviar und vor allem viel weniger salzig. Genau dass möchte ich hier haben - unter echtem Kaviar würde der Tunfisch direkt K.O. gehen.

Für Anfänger des rohen-Fisch-essens ist Tunfisch-Tartar eine gute Übung, für Kenner bekanntermaßen eine Delikatesse. Bei völlig Ahnungslosen komme ich gelegentlich sogar mit der Illusion durch, es könnte Fleisch sein und verrate erst nach einigen “Mhhs” und “Ohhhs” was es wirklich ist.

Zutaten

  • 200g Tunfisch, roh (Sushi-Qualität)
  • Wasabi-Paste
  • Sojasauce, hell
  • 1 Salatgurke
  • 2 Cornichons
  • 100g Crème Fraîche
  • 1 EL Majo
  • ½ Bund Dill
  • Zitronensaft
  • Pfeffer, Salz
  • Vegetarischer Kaviar
  • Rock Chives Kresse

Zubereitung

Tunfischtartar möglichst knapp vor dem servieren frisch zubereiten. Auf keinen Fall Stunden vorher vorbereiten, ist ja schließlich roher Fisch.

Tunfisch in 3-4mm große Würfel Schneiden. Mit wenig Wasabi und etwas Sojasauce dezent abschmecken. Salatgurke schälen und nur den äußeren Teil ohne Kerne auf dem Gemüsehobel in Stifte hobeln. Dill abzupfen und fein hacken. Cornichons in kleine Würfel schneiden. Aus der Crème Fraîche, Majo, Dill und Cornichons eine Remoulade rühren und mit Salz, Pfeffer und Zitrone abschmecken.

zum Anrichten Gurkenstifte auf den Teller geben, einen Löffel Remoulade darüber gießen. Servierringe separat mit Tartar füllen und vorsichtig auf die Gurkenstifte geben. Ringe abziehen. Mit Kresse und Kaviar garnieren.

Und ganz zum Schluss noch ein Kalauer, den ich mir bei diesem Gericht unmöglich verkneifen kann:

“You can tune a piano but you can’t tun-a-fish”

  • Ha, von wegen!