Dreams on a Plate

TAPAS & WEIN AUF RHEINHESSISCH

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Üblicher Weise sucht man ja den Wein passend zum Essen aus. Doch nicht heute, denn es gilt einen Kochwettbewerb zu gewinnen bei dem es genau anders herum sein soll. Der Rheinhessenwein e.V. lädt zwölf ausgesuchte Blogger ein, passend zum Wein Rheinhessische Tapas zu kreieren. Eine Aufgabe, die ich eigentlich sehr spannend finde.

Doch vor mir steht eine Kiste, deren Inhalt meine Euphorie etwas dämpft. Die drei Flaschen Wein gefallen mir gut, aber daneben befinden sich noch einige mehr oder weniger langweilige Zutaten: Kohlrabi, grüne Bohnen, rote Beete, Kartoffeln, ein Ring Fleischwurst und ein Glas Rheinhessisches Wildkräuter-Pesto. Na toll - daraus soll ich was machen. Suuuper. Aber lasst uns positiv bleiben - die anderen Blogger haben es ja auch nicht einfacher.

Die Aufgabe


Die Aufgabe lautet, aus den drei Weinen zwei auszusuchen und mit mindestens drei der sechs Zutaten zwei "Tapas" zu kreieren, die möglichst gut zu jeweils mindestens einem der Weine passen.

Zu kompliziert? - Eigentlich nicht, aber um das trotzdem etwas zu entzerren, werde ich einfach zwei Weine aussuchen und dann alles verarbeiten, was in der Kiste liegt. Damit kann ich eigentlich nicht falsch liegen wenn's denn nachher schmeckt.

Die Strategie


"Food-Pairing" heißt das Zauberwort. Foodpairing ist eine Disziplin, die inzwischen wissenschaftlich betrieben wird und am besten funktioniert, wenn man einen Gaschromatografen hat. Damit lassen sich Aromen-Profile von Lebensmitteln erstellen und wenn die ähnlich sind, dann passen die Lebensmittel auch geschmacklich zusammen. Das funktioniert erstaunlich gut. Natürlich hat niemand so ein Gas-Chrom-Dings-Bums zuhause. Aber Zunge und Gaumen tun's ja vielleicht auch.

Das zweite Zauberwort heißt "Tapas". Wir leihen uns also aus der Spanischen Esskultur eine Geniale Idee und servieren kleine Leckereien, die perfekt zum Wein passen und vorzugsweise extrem köstlich, ziemlich fett und salzig sind. Da wären zum Beispiel die berühmten Patatas Fritas (Bratkartoffeln) mit Aioli (Knoblauch-Mayonnaise) oder Hackfleischbällchen in scharfer Soße.

Aber so einfach ist das natürlich nicht. Wir können hier nicht einfach anfangen intereuropäischen Freihandel mit kulinarischen Kulturgut zu betreiben. Es ist komplizierter. Zum einen haben wir es hier nicht mit einem Spanischen Rioja zu tun sondern mit Rheinhessischen Weinen die ganz andere Aromen brauchen um geschmacklich "unterstützt" und nicht "erschlagen" zu werden und zum zweiten wollen wir uns die Rheinhessischen Esskultur bewahren. Und dann wären da ja noch die Zutaten, die uns schon ein Stück weit die Richtung vorgeben.

Der Wein


Fangen wir erst mal mit den Weinen an. Die Wahl war wirklich einfach und glasklar. Wein Nr. 1: Silvaner RS 2017 vom Weingut Posthof Doll & Göth.

Weingut Posthof Doll & Göth, Silvaner RS 2017
Weingut Posthof Doll & Göth, Silvaner RS 2017

Dieser Wein ist mir bereits wohl bekannt. Ein Vorzeige-Silvaner mit wundervoll frischen Aromen von frisch gemähtem Gras, unreifer Birne, Muskat, wilden Kräutern und einem buttrigen Körper mit feinen Frucht/Säure-Spiel. Ein toller Terrassen-Wein zum günstigen Preis.

Wein Nr. 2: Niersteiner Spätburgunder 2015 von Georg Gustav Huff

Georg Gustav Huff, Niersteiner Spätburgunder 2015
Georg Gustav Huff, Niersteiner Spätburgunder 2015

An einem Spätburgunder komme ich sowieso nicht vorbei. Und wenn ich gewusst hätte, dass er sich noch in vielerlei Hinsicht als große Überraschung herausstellen wird erst recht nicht. Der Niersteiner Spätburgunder ist ein Pinot Noir wie er im Buche steht. Er riecht wunderbar nach feuchtem Waldboden, erdig und satt. Ein leichter, ganz dezenter Anklang von Vanille, rauchiges Holz und Nelken. Dann kommt die volle Frucht, tolle Wildkischaromen etwas Kaffee und dann hinten raus weiche aber sehr präsente Tannine. Wenn man bedenkt, das das "nur" ein Ortswein ist - quasi der kleine Bruder eines hochdekorierten Lagenweins - bin ich um so mehr beeindruckt. Mit einem Preis von € 10,50 ein echtes Schnäppchen, der so manchen Kollegen, der das doppelte kostet in den Schatten stellt.

Jetzt wird "gepairt"


Wenn wir uns wie vereinbart die Rheinhessiche Esskultur bewahren wollen, darf einer auf keinen Fall fehlen: der Spundekäs'. Die Schwierigkeit dabei: die Zutaten-Kiste gibt so garnichts her in dieser Richtung - und die Konsistenz ist auch nicht so richtig Tapas-fähig. Als Dip vielleicht, aber der Dip spielt immer die zweite Geige. Der Spundekäs' hat's aber verdient, in der ersten Reihe zu spielen. Ich muss es also schaffen, den Spundekäs' in's Fingerfood-Format zu transferieren.

So kam mir der Gedanke an gegrillten Feta-Käse. Durch die Wärme verliert er alle seine derben Schaaf-Aromen und bekommt eine wunderbar weiche Konsistenz. Das kombiniert mit Paprikagewürz und rohen Zwiebeln und schon haben wir's.

Blöd nur, wir haben noch nix gepairt und die Kiste ist auch noch voll. Ich muss irgendwie die Wein-Aromen aufgreifen - einen kulinarischen Zwilling zum Wein bauen. - Da bietet es sich an, den Feta mit Bacon zu umwickeln. So lässt er sich auch viel besser zubereiten und zerfällt beim braten nicht. - Und wir haben das Raucharoma des Spätburgunders aufgegriffen!

Rheinhessiche Tapas
Gebratener Spundekäs' kurz vor dem braten

Die Kiste ist immer noch voll. Aber nicht mehr lange - sehe ich doch da eine Rote Bete. Der erdige Geschmack ist genau das, was ich für den Spätburgunder brauche.

Wenn es mir gelingt, damit so eine Art Ketchup herzustellen, dann kann ich eine Nelke rein tun und für die Süß-Sauer-Balance einen Esslöffel Kirschmarmelade! Fertig ist mein kulinarischer Zwilling für den Spätburgunder: Gebratener Spundekäs' mit Rote Bete-Ketchup

Rheinhessiche Tapas
Rheinhessiche Tapas


Rheinhessiche Tapas
traumhafter Spätburgunder vom Weingut Huff

Weiter gehts mit den Silvaner. Wie zum Henker bekommt man "Gras-Aroma" in's Essen? Am besten ohne Gras, denn das kaut sich so schlecht. Es dauerte lang aber ich mach's kurz: Sauerkraut! Ein gutes Weinsauerkraut riecht tatsächlich nach Gras. Und zudem ist es ein Rheinhessischer Klassiker - vor allem in Verbindung mit einem Saumagen.

Statt Saumagen tut's vielleicht auch die Fleischwurst aus der Kiste. Das Sauerkraut wird fein gehackt und die Wurst fein gewürfelt und verschwindet in einer deftig kräftigen Tortilla. - Bitte nicht mit dem mexikanische Fladenbrot verwechseln! Eine Spanische Tortilla ist quasi ein riesen-Omelette mit Kartoffeln. Da rüren wir das Kraut und die Fleischwurst rein, schmecken mit Muskat ab und schneiden die Tortilla in kleine Würfel.

Rheinhessiche Tapas
Sauerkraut-Tortilla

Dazu bitte ein Dip. Wie wär's mit "Birnen & Bohnen"? Das ist vielleicht nicht die Rheinhessische Küche der ersten Stunde aber zumindest eine urdeutsche Angelegenheit. Die Birne kommt mir grade recht zum Silvaner und der Bohne kann man auch etwas leicht grasiges abringen. Und schon hätten wir den kulinarischen Zwilling Nummer zwei für den Silvaner: Sauerkraut-Tortilla mit Birnen & Bohnen-Chutney

Rheinhessiche Tapas
Silvaner RS vom Weingut Posthof

Letzter Blick in die Kiste: Zwei Kohlrabi und ein Glas Wildkräuter-Pesto. Ein kurzer Geschmackstest zeigt mir: das ist genau was ich brauche! Schmeckt nach Waldspaziergang. Das passt ebenso zu den nassen Unterholztönen des Spätburgunders wie zur Wildkräuternote des Silvaners. Daraus machen wir eine deftige Kräutermajonnaise! Und nichts passt besser zu Majo als Pommes. Die Kartoffeln sind schon in der Tortilla verschwunden, also machen wir Kohlrabi-Pommes. Das schmeck sowiso viel besser. Legt mann die noch rohen Kohlrabi Pommes für einige Minuten in Salzwasser ein, verlieren sie Ihren muffigen Kohl-Geschmack und übrig bleibt ein feines frisches buttriges Gemüse-Aroma. Wie das zum Silvaner passt - ich bin echt ein Glückspilz!

Der Fairness halber packen wir noch ein paar Rote Beete Chips dazu, damit die Kräuter-Aioli auch für den Spätburgunder passt. Ich gebe es zu, die Chips habe ich nicht selbst gemacht. Rote Bete Chips kann man fertig kaufen und sie sind köstlich. Selbst machen ist ein ziemlicher Act und Energiebilanz-technisch auch garnicht zu vertreten. Mindesten 12h am Stück den Backofen an lassen ist im Sommer kein Spaß und kostet eine Menge Strom. Also besser fertig kaufen. Da hätten wir dann also Zwilling Nummer Drei: Kohlrabi-Pommes und Rote Bete-Chips mit Wildkräuter-Aioli

Rheinhessiche Tapas
So sehen Rheinhessiche Tapas aus!

Gebratener Spundekäs'


Zutaten

  • 200g Feta
  • 100g Bacon
  • 1 Charlotte
  • Paprika Pulver Edelsüß

Zubereitung

Die Charlotte in feine Ringe schneiden. Den Feta der Länge nach in Balken mit quadratischem Querschnitt schneiden und rundherum großzügig mit Paprikapulver bestreuen. Die Bacon-Scheiben leicht überlappend auf die Arbeitsfläche legen und die Feta-Stücke damit einwickeln.

In einer beschichteten Pfanne ohne Fett rundherum knusprig anbraten. In Würfelform portionieren, die Schnittflächen mit Paprikapulver bestreuen.

Mit Charlotten-Ringen dekorieren und warm mit einem Holzspieß servieren.

Rote Bete-Ketchup


Zutaten

  • 3 Rote Bete Knollen
  • 200 ml Apfelessig
  • 100 g brauner Zucker
  • 1 EL Kirschmarmelade
  • 1 rote Zwiebel
  • 1 EL Butter
  • 2 Gewürznelken
  • Pfeffer
  • Salz

Zubereitung
Die Rote Bete ungeschält in Salzwasser 30 min. kochen. Abkühlen lassen und anschließend mit Handschuhen schälen und in Würfel schneiden.

Die Zwiebel schälen und grob hacken. Mit Butter in einer Stielkasserolle anschwitzen. Anschließend den Zucker zugeben und karamellisieren lassen. Mit dem Essig ablöschen, die Nelken, Rote Bete Würfel und Kirsch marmelade zugeben und 10 Min. bei geringer Hitze köcheln lassen.

Stielkasserolle vom Herd nehmen. Alles mit einem Stabmixer fein pürieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Kalt servieren.

Sauerkraut Tortilla


Zutaten

  • 2 Große Kartoffeln
  • 1/4 Ring Fleischwurst
  • 3 EL Weinsauerkraut
  • 6 Eier
  • Butterschmalz
  • Muskat
  • Pfeffer
  • Salz

Zubereitung

Die Kartoffeln und die Fleischwurst schälen und in sehr kleine Würfel schneiden. Das Weinsauerkraut abtropfen lassen und mit dem Küchenmesser etwas klein hacken.
Die Kartoffelwürfel mit Butterschmalz in einer beschichteten Pfanne von allen Seiten kross braten. Die Fleischwurst-Würfel zugeben und 3 min. mit Braten.

Die Eier mit Muskat, Pfeffer und Salz kräftig abschmecken und zu den Kartoffeln in die Pfanne geben. Einmal kräftig durchrühren und dann bei mittlerer Hitze weiter braten bis der Rand leicht bräunlich wird. Die Pfanne bei 180°C Heißluft für 10 min. in den Backofen stellen. Anschließend mit Hilfe eines Tellers das "Riesen-Omelette" vorsichtig wenden und die Rückseite ebenfalls anbraten.

Die Tortilla aus der Pfanne nehmen und in gleichmäßige Würfel schneiden und mit kleinen Holzspießen servieren.

Birnen & Bohnen-Chutney


Zutaten

  • 100g breite Bohnen
  • 1 EL Butter
  • 1 grüne Parika
  • 1 große Zwiebel
  • 1 (eher unreife) Birne
  • 100 ml Weißwein
  • Bohnenkraut
  • Salz
  • Pfeffer

Zubereitung

Die Bohnen in Salzwasser 10 min. kochen, abgießen und in kleine Stücke hacken. Paprika waschen vierteln und entkernen. Unter dem Grill oder auf höchster Stufe im Ofen rösten, bis die Haut dunkel wird. Unter einem feuchten Tuch abkühlen lassen, dann die Haut abziehen. Anschließend in sehr kleine Würfel schneiden.

Die Zwiebel schälen und fein hacken. Mit Butter in einer Stielkasserolle glasig dünsten. Bohnen, Bohnenkraut und Paprika zugeben und etwas anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen. Birne schälen, würfeln und zugeben. 15 Min. Köcheln lassen bis der Wein nahezu verkocht ist und eine angenehme Konsistenz entsteht. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Kohlrabi-Pommes


Zutaten

  • 2 Kohlrabi
  • Salz
  • Oliven-Öl
  • Garam Masala Gewürz-Pulver

Zubereitung

Die Kohlrabi schälen, in 5mm Scheiben schneiden und diese in 5mm breite "Pommes" verarbeiten. Die Kohlrabi-Pommes 10 Min. in Salzwasser einlegen, anschließend gut abtropfen lassen, Olivenöl darüber träufeln und mit Salz und Garam Masala würzen. Anschließend auf ein Backblech legen und 15 min. bei 200°C Heißluft backen bis sie knusprig braun sind.

Wildkräuter-Aioli


Zutaten

  • 1 Ei
  • 200ml Olivenöl
  • 1TL Senf
  • 2 TL Wildkräuter-Pesto
  • Salz
  • Pfeffer
  • Zitronensaft

Zubereitung

Das Öl in einen hohen Rührbecher geben. Das Ei, Senf, Wildkräuter-Pesto und eine Prise Salz, etwas Pfeffer und einige Spritzer Zitronensaft hinzugeben. Alle Zutaten mit einem Pürierstab gut verquirlen.

Ich bin sehr gespannt wer gewinnt und was meine Mitstreiter so alles hervor bringen. Vielen Dank an Rheinhessenwein e.V. und Gourmet Connection für diese tolle Idee!

Hier die Links zu meinen Mitstreitern:

Held am Herd

Farbenfreundin

Mini.Me

House No. 15

Rhein herzt Elbe

Ina is(s)t

holy fruit salad!

Magentratzerl

Jankes Soulfood

Liebstöckelschuh

Salzig, Süß und Lecker

KOCH WAS! - MIT PARMESAN!

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Ich war mal wieder eingeladen. Diesmal vom Konsortium für Parmigiano Reggiano ins Hotel Jumeirah in Frankfurt. Gute Adresse, gutes Produkt - da kann eigentlich nichts schief gehen. Und wenn doch, gibt's zumindest was ordentliches zu Essen und zu Trinken.

Zunächst erklärt uns Bettina Meetz, deutsche Repräsentantin von Parmigiano Reggiano den traditionellen und streng reglementierten Herstellungsprozess. Ein ziemlich aufwändiges und körperlich anstrengendes Prozedere, das aber offensichtlich notwendig ist, um die konstante Qualität zu erreichen, die das Konsortium verlangt. Auch wenn Parmigiano Reggiano ein relativ teuer Käse ist - reich wird man damit nicht. Höchstens Kreuzlahm. Schön, dass es Menschen gibt, die sich mit so viel Leidenschaft einem handgemachten Produkt verschreiben. Grazie mille a tutti voi!

Dass Parmigiano Reggiano gesund ist, wusste ich sogar schon vorher - für die Menge Kalzium, die in 100g Parmigiano Reggiano stecken, müsste man 10 Liter Milch trinken. Da nehme ich doch lieber den Käse. Neu für mich war allerdings, dass das, was wir bei reifem Parmigiano landläufig für Salzkristalle halten, gar kein Salz ist, sondern essentielle Aminosäuren. Auch etwas Gutes von dem wir eigentlich immer zu wenig haben und was der Körper nicht selbst herstellen kann.


Parmigiano Reggiano 101 Monate gereift

Neu war für mich auch, dass Parmigiano Reggiano in unterschiedlichen Reifegraden angeboten wird. Der Jüngste ist 18 Monate alt - ein Zustand bei dem der Kenner nur müde lächelt. Spannend wird es ab 24 Monaten aufwärts. Da geht's dann auch mit dem Preis aufwärts. Lagern kostet Zeit und bindet Kapital. Die nächste Stufe sind 26 Monate - eine wahre Delikatesse, konzentriert im Geschmack und hoch aromatisch. Als High-Light wurde dann noch ein 101 Monate alter Parmigiano Reggiano kredenzt - eine wirklich seltene Delikatesse - Magic!

Nach dem spannenden Vortrag und einer intensiven Verkostung ging's runter in die Hotelküche von Nils-Levent Grün - Chefkoch im Jumeirah Frankfurt. Marko Richter vom Frische Paradies zeigt uns dort direkt wie's geht und serviert jedem von uns einen Hummer auf Bandnudeln - natürlich mit Parmigiano Reggiano. Was auch sonst. Wirklich köstlich.


Hummer mit Parmigiano Reggiano

Danach ging's erst richtig los. In der Küche präsentiert man uns einen vom frankfurter Frische Paradies reich gedeckten Gabentisch mit wirklich allem, was die Delikatessen-Welt zu bieten hat. Das reinste Schlaraffenland. Dann folgt eine klare Ansage: "Koch was!" - "Mit Parmesan".


Der Gabentisch vom Frankfurter Frische Paradies

Während ich noch staunend da stehe, spaltet sich um mich herum die Welt in zwei Lager auf. Die "Köche" und die "Presse". Die einen haben schon die Kochlöffel in der Hand, die anderen Filmkameras, Fotoapparate und Notizblöcke. Währen ich noch dabei bin meine Rolle zu finden, beginnt um mich herum schon das hektische Treiben. Ich komme mir ein bisschen vor wie bei "The Taste". Die Uhr läuft. Viel Zeit zum Überlegen habe ich nicht. Die ersten Zutaten verschwinden schon vom Gabentisch. Also springe ich ins kalte Wasser und entscheide mich heute "Koch" zu sein.

Nun stehen wir da, lauter hochmotivierte Jungköche, die alle auf dem Weg zum ersten Stern sind und ich mit leicht erhöhtem Puls zwischendrin. Jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren. Mein Plan steht schnell fest, ich mache Eis. Parmesan-Eis. Trotz Profiküchen-Hardware, Schockfroster und Pacojet braucht Eis einfach sein Zeit um fest zu werden. Deshalb heißt es jetzt Gas geben.

Die Zutaten für das Eis (Rezept siehe unten) sind schnell zusammengerührt und verschwinden vorübergehend im Schockfroster. Aber das Eis alleine reicht nicht. Wenn ich in diesem Umfeld ohne Gesichtsverlust bestehen will, sind ein Dutzend Zutaten das mindeste, sonst gilt man als faul. Das möchte ich natürlich auf gar keinen Fall.

Also schnappe ich mir als Erstes ein paar Scheiben Parmaschinken und verarbeite sie zu einem kleinen feinen Parmaschinken-Crunch der anschließend noch karamellisiert wird. Damit habe ich schon mal einen knusprigen Gegenspieler zum soften Eis und einen schönes Süß/salzig Kontrast.

Jetzt brauche ich noch was fruchtiges. Vor dem Gabentisch stehend schwanke ich zwischen wunderschönen reifen Feigen und fast Walnuss-großen Kirschen. Ich frage noch jemanden neben mir nach seiner Meinung und nehme dann ohne die Antwort abzuwarten die Kirschen mit. Die sehen einfach zu gut aus. Diese verarbeite ich zusammen mit einer roten Zwiebel und feinstem Himbeeressig zu einem süß-sauren Confit. Das kommt nachher lauwarm unter das Eis.

Ohh ja - bei mir läuft's grade richtig gut:

warm - kalt
soft - crunchy
süß - sauer - salzig
hell - dunkel

Alles dabei - jetzt muss es nur noch schmecken, dann wird's wohl ziemlich gut.

Für die Deko schnell noch ein paar Parmesan-Chips machen und dann habe ich's eigentlich. Doch mein Eis macht keine Anstalten fest zu werden. Schlecht. Der Schockfroster ist doch nicht so schockfrostig wie ich gedacht habe. ein Trick soll helfen: Ich gieße das Eis auf ein Backblech und schiebe das zurück in den Froster. Mehr Oberfläche und weniger Wandstärke - nach meinem physikalischen Verständnis müsste das schneller gehen.

"die Anderen" servieren schon. Der Reihe nach kommen verschiedene Pasta Gerichte auf den Tresen und ein gebratener Pulpo. Dann eine Pause und wieder flüstert jemand von der Seite: "kann bitte mal jemand dieses 2,4kg Wagyu Kotelett in die Pfanne legen und ein bisschen Parmesan drüber hobeln? Das kann doch nicht so schwer sein." - Ja das Ding hat's mir auch angetan, aber mir viel auch nichts ein, was man damit hätte machen können ohne dem eigentlichen Star des Tages die Show zu stehlen. Hier geht's ja schließlich um Parmigiano Reggiano.


Feine Kreationen mit Parmigiano Reggiano

Dann kommt mein persönlicher Rockstar des Tages Sebastian Böckmann und serviert gegrillte Wassermelone mit Wagyu Tartar. Spektakulär lecker mit Parmesan-Bröckchen im Tartar. Und schön ist es auch noch. Sowas mag ich. Respekt, lieber Sebastian.

Während gefüllte Zucchiniblüten über den Tresen wandern und mit "mhhhh" und "ohhh" quittiert werden, schaue ich mal wieder nach meinem Eis. - An der Grenze, aber könnte grade so gehen. Der PacoJet verwandelt meine Eisbrocken in eine zarte Creme von mittlerer Konsistenz. Eher so "Halbgefrohrenes" aber das klingt ja auch nicht schlecht.

Ich bin der letzte und beeile mich mit dem Anrichten. Ich stelle meine drei Teller auf dem Tresen, erkläre mein süß/sauer weich/knusprig Konzept und lobe den 36-monatigen Reggiano wie gut er sich in die Gesamtkomposition einfügt. Totenstille. Dann gehen fast gleichzeitig 15 Löffel durch mein Eis und die Teller sind leer.


Parmesan-Eis mit Kisch-Confit

Ich fühle mich richtig gut, schreie innerlich "Yes! I nailed it!" und ernte so ziemlich alles von ungläubigen Blicken, väterlichem Schulterklopfen über anerkennendes Kopfnicken bis zu einem geflüsterten "Respekt".

Was für ein Tag. Vielen Dank an Gourmet Connection und das Parmigiano Reggiano Konsortium für die Einladung und das tolle Erlebnis.

Rezept: Parmesan-Eis | rote Zwiebeln | Kirschen | karamellisierter Parmaschinken

Zutaten

für das Parmesan-Eis

100mml Milch
100g Mascarpone
100g fein geriebener Parmigiano-Reggiano

Für das Kirsch-Confit

100g Süßkirschen
1 rote Zwiebel
2 EL Olivenöl
1 EL brauner Zucker
2 EL Himbeeressig
Salz, Pfeffer

Außerdem

2 Scheiben Parmaschinken
1TL brauner Zucker
50g fein geriebener Parmigiano-Reggiano
20g Parmigiano-Reggiano in "bröckchen"
5 rote Amaranth-Blätter

Zubereitung

Die Milch erhitzen, Mascarpone und geriebenen Parmigiano-Reggiano darin auflösen. In die Eismaschine füllen und gefrieren lassen.

Parmaschinken in eine beschichtete Pfanne legen und von beiden Seiten kross braten. Auf Küchenkrepp legen und abkühlen lassen. Anschließen in kleine Stücke "zerbröseln".

Fett aus der Pfanne wischen uns einen Teelöffel braunen Zucker karamellisieren. Die Schinkenbrösel zugeben und gut durchmischen. Abkühlen lassen. Anschließend das Karamell-Stück auf die Arbeitsfläche legen und mit einem Topf zerdrücken, bis gleichmäßig kleine Stücke entstanden sind.

In der beschichteten Pfanne je einen Teelöffel geriebenen Parmigiano-Reggiano schmelzen lassen. Wenn der Käse beginnt braun zu werden, mit der Pinzette wenden und weiter braten. die weichen Käseläppchen auf einem Teller erkalten lassen - so entstehen knusprige Parmesan-Chips.

Kirschen waschen und vierteln. Zwiebel schälen und fein würfeln. Zwiebeln in 1 EL Olivenöl glasig dünsten. Zucker zugeben und hellbraun karamellisieren lassen. Mit Himbeeressig ablöschen. Kirschen zugeben und für ca. 5 Min. einkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer dezent abschmecken. Bis lauwarm Abkühlen lassen.

Die Amaranth-Blätter aufeinander legen und in hauchdünne Streifen schneiden.

Anrichten

In die Mitter des Tellers einen Esslöffel lauwarmes Kirsch-Confit geben. Einige Parmigiano-Reggiano-Bröckchen darüber geben. Eine Nocke Parmesan-Eis darauf geben und mit einem Parmesan-Chip, Armaranth-Streifen und karamellisiertem Parmaschinken garnieren.

SCHOTTISCHER LACHS MIT SAUERAMPFER

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Einer der mit Fug und Recht von sich behaupten kann, die Welt verändert zu haben ist Pierre Troisgros. Sein Restaurant Maison Troisgros im französischen Roanne, das inzwischen von seinem Sohn Michel geführt wird, hält seit 50 Jahren souveräne drei Michelin Sterne. Das ist unangefochtener Weltrekord und eine Leistung, auf die man ohne Zweifel stolz sein kann.

Das alleine reicht vielleicht noch nicht um die Welt zu verändern, aber eines seiner Gerichte - eigentlich „das Gericht“ das ihn und sein Restaurant berühmt gemacht hat, war der Grundstein dafür, wie wir heute Fisch zubereiten.

„Lachs mit Sauerampfer“ war über Jahrzehnte der Renner im Maison Troisgros, hatte aber zunächst deutliche Anlaufschwierigkeiten, weil der Fisch in diesem Gericht nicht durchgebraten wurde, sondern innen nur lauwarm und glasig war. Heute genau das was wir „À point“ (auf den Punkt) nennen, damals aber Grund für viele Gäste, das Essen zurück gehen zu lassen. Aber Pierre wurde nicht müde den Gästen zu erklären, dass das genau so gehört. Heute wissen wir, dass er Recht hat.

Bei der Zubereitung kam ihm zugute, das kurz zuvor die clevere Madame Colette Grégoire die Teflonpfanne erfunden hatte. Ohne diese Innovation wäre es unmöglich gewesen, das flache Stück Lachs ohne Fett für 30 Sekunden in die Pfanne zu legen und anschließend zerstörungsfrei zu wenden. Das war die Hightech Küche der späten 1950er Jahre.

Heute - fast 60 Jahre später - stehe ich hier mit einer 1,4kg schweren schottischen High-End Lachs-Seite von saumonecossais.com und überlege mir, wie ich dem guten Stück gerecht werden kann. Warum nicht einen alten Klassiker aufgreifen, etwas moderner interpretieren aber genauso wie damals mit dem neusten Hightech-Kram zubereitet? - also schnell die Souvide Maschine mit dem Handy "gepairt", den Vakuumierer rausgeholt und los gehts.

Schottischer Lachs mit Sauerampfer Sauce
Lable Rouge Scottish Salmon

Aber erst mal die Qualität checken: Roh schmeckt er schon total köstlich, schön festes Fleisch, riecht null nach Fisch, tolle Struktur - eigentlich müsste man Sushi draus machen. Aber wir haben ja größeres vor. Und wie sieht’s mit dem Qualitätsversprechen des Herstellers aus? Der Fisch trägt das begehrte „Label Rouge“, ein Qualitätssigel, das man nicht so einfach bekommt. Schon gar nicht, wenn man kein Franzose ist, sondern Schotte.

Das Label Rouge Konsortium stellt strenge Anforderungen an Aufzuchtbedingungen, die Futterqualität, die Installationen und Anlagen, die Hygiene und die Schulung des Personals und lässt diese von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle kontrollieren.

Darüber hinaus wirbt der Hersteller mit einer lückenlosen Nachverfolgbarkeit des Produktes vom Ei bis ins Ladengeschäft. Das Thema trifft bei mir ja genau ins Schwarze. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, den Hersteller anzuschreiben, um zu überprüfen was dahinter steckt. In meiner Email teile ich dem Hersteller die Seriennummer auf meiner Packung mit und bitte darum, mir die Tracking-Daten meines Fisches zuzusenden.

Lesley von der Scottish Salmon Producers’ Organisation wurde nicht müde meine bohrenden Fragen zu beantworten und war auch in der fünften Email immer noch genau so nett wie in der ersten obwohl ich ihr mit meiner Hartnäckigkeit ganz sicher tierisch auf die Nerven gegangen bin. Aber so geht eben investigativer Food Journalismus.

Am Ende hatte ich meine Informationen - nicht ganz „tracked Back to the Egg“ wie auf der Website behauptet, aber doch so weit, dass ich sagen kann, die Leute haben ihre Lieferkette im Griff und wenn mal was schief läuft, finden sie ganz schnell raus, wer dran schuld ist. Das ist nicht ganz die „Blockchain-basierte Hightech Food Tracking Routine“ die ich mir in meiner Phantasie vorgestellt habe, aber ich weiß jetzt zumindest genau, wo mein Fisch her kommt und wer ihn wo gefangen hat. Das reicht mir für’s erste.

Dann machen wir uns mal ans kochen und bereiten unsere Hommage an Pierre Troisgros zu: Lachs mit Sauerampfer, sous vide gegart, mit Roter Beete und Dill-Öl.

Zutaten##

Für die Sauerampfer Sauce

2 Schalotten
0,2 l Süße Sahne
400ml Fischfond
0,25 l Weißwein
1 Bund Sauerampfer
10 g Butter
Salz, frisch gemahlener Pfeffer

Für die rote Beete

2 stk. Rote Beete, frisch, roh
Salz
Olivenöl
Zitronenzeste
1 Zweig Thymian
Olive oil, as needed

Für das Dill-Öl

1 Bund Dill, frisch oder TK
500ml Rapsöl

Außerdem

800g schottischen Lachs, frisch, mit Haut
Rote Beete Sprossen und Dill zur Dekoration

Zubereitung##

Einige Tage zuvor das Dill-Öl herstellen: Dill von den Stängeln zupfen, zusammen mit dem Öl in den Blender geben und bei maximaler Drehzahl durchmixen. Achtung! Kein hochwertiges Olivenöl nehmen. So verlockend das klingen mag - gutes Olivenöl wird durch den Mixvorgang bitter. Rapsöl hingegen kann das gut vertragen.

Nach dem mixen in ein Glas gießen und luftdicht verschließen. Mindestens 48h ziehen lassen, dann abfiltrieren. Das Öl hält sich mehrere Monate.

Vier Stunden zuvor die rote Beete schälen, halbieren und in einen Vakuumbeutel geben. Mit Salz, Thymian, Zitronenabrieb würzen und einen EL Olivenöl zugeben. Anschließend vacuumieren und verschweißen. Für 3h bei 85 °C sous Vide garen.

Ca. eine Stunde zuvor die Lachs-Seite putzen, die letzten Gräten entfernen und in ca. 3cm breite Tranchen schneiden. Jeweils zwei Tranchen mit der Hautseite nach außen zusammenlegen und paarweise einschweißen. 60 Min. bei 40 °C sous Vide garen.

Für die Sauce die Schalotten fein hacken, in Butter anschwitzen und mit Weißwein ablöschen. Fisch Fond zugeben und auf 1/3 reduzieren. Sahne zugeben und erneut auf die hälfte reduzieren. Sauerampfer-Blätter vom Strunk trennen, stapeln und in dünne Streifen schneiden. De Sauerampfer in die Sauce geben einmal kurz aufkochen und dann vom Herd nehmen.

Die rote Beete in kleine Würfel schneiden. Den Lachs aus dem sous Vide Beutel befreien, in einen tiefen Teller geben, trockentupfen und mit einem Gasbrenner kurz abflämmen. Die Sauce rundherum angießen, die Rote Beete Würfel in die Sauce legen. Tropfenweise Dill-Öl in die Sauce träufeln. Rote Beete Sprossen auf dem Lachs anrichten und mit Dill garnieren.

Vielen Dank an Gourmet Connection die mir den Fisch kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

VON WAHREN HELDEN UND DEM ERFINDER DES BRUNELLO DI MONTALCINO

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In Zeiten in denen sich alles immer schneller zu verändern scheint, sehnt man sich manchmal doch nach etwas, das Bestand hat. Nein ich bin keiner von diesen "früher war alles besser"-Typen, im Gegenteil. Schließlich verdiene ich mein Geld damit, die Welt zu verändern, wenn auch nur im Kleinen. Aber es gibt eben auch Dinge, die sind gut, so wie sie sind und egal wieviel Zeit vergeht, gibt es keinen Grund daran etwas zu ändern.

Das gilt zum Beispiel für die traditionsreiche Kellerei Il Greppo im toskanischen Montalcino, wo Ferruccio Biondi Santi den berühmten Brunello di Montalcino erfand, indem er einen speziellen Klon der Sangiovese Traube züchtete. Im Jahre 1888 wohlgemerkt.

Heute gibt es über 250 Betriebe, die den streng reglementierten "Brunello di Montalcino" anbauen. Viele davon bemühen sich um einen moderneren Ausbau, um schneller trinkreife Weine auf den Markt zu bringen. Nicht so bei Biondi Santi. In der vierten Generation produziert der Familienbetrieb die toskanische Legende noch immer so wie vor 250 Jahren. Das Ergebnis sind Weine, die viel Zeit brauchen, sich aber dann zu wahren Legenden entwickeln.

L'Eroica

Neben meiner Leidenschaft für guten Wein gibt es aber noch eine zweite Legende, die mich eng mit der Toskana verbindet. Ca. 1.000km südlich von hier liegt eines dieser toskanischen Bergdörfer, in denen tatsächlich die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: Gaiole in Chianti. Ein ganz entspanntes Örtchen mit tollen alten Gebäuden aus Bruchstein, in dem ausser drei Bars und einem kleinen Supermarkt eigentlich nicht viel los ist. Doch einmal im Jahr, am ersten Wochenende im Oktober bricht hier ein höllisches Spektakel los. Die "Eroica" - die "Heldenhafte", ein historisches Radrennen durch die toskanischen Weinberge. "Das klingt doch ganz entspannt, was soll daran heldenhaft sein?" möchte man fragen. Aber die Eroica, die dieses Jahr zum 10. Mal statt findet, hat nicht ohne Grund internationalen Kultstatus. Aus allen Ländern der Welt reisen 7.000 Radsportbegeisterte mit ihren rostigen Schesen an und mindestens genau so viele bleiben traurig zuhause, weil sie bei der Verlosung der Startnummern kein Glück hatten.

L'Eroica

Ich hatte Glück und konnte zusammen mit vier meiner engsten Freunde zum vierten mal in Folge an diesem Spektakel teilnehmen. Im Gepäck eine hellgrüne Pinarello SLX Baujahr 1983 und ein ordentliches Weinglas.

Die Krux der Eroica liegt im Bodenbelag - die "Strada Bianca" - die schmalen Feldwege aus hellbraunem, fast weißem Schotter die die toskanische Landschaft durchziehen wie feine Adern. Sie sind auch der Grund, warum es die Eroica gibt. Vor genau 10 Jahren saßen ein paar italienische Männer in Gaiole in einer Bar und unterhielten sich über Fortschritt, Veränderung und Beständigkeit und weil im Zuge des Fortschritts immer mehr Strecken der Strada Bianca zubetoniert wurden - wegen des Staubs und den unbequemen Fahreigenschaften - beschloss man, die alten Bikes aus dem Keller zu holen, die von Motten zerfressenen Wolltrikots überzustreifen und ein Zeichen zu setzen. Zur Rettung der Strada Bianca.

L'Eroica

Heute, Zehn Jahre später, gibt es sie noch die Strada Bianca und die Eroica entwickelte sich zu einem viertägiges Spektakel von Weltruhm. Jedem Teilnehmer bleibt selbst überlassen, wie weit er die Zeit zurück drehen möchte, solange es vor 1984 ist. So alt muss das Fahrrad mindestens sein, um Teilnehmen zu können. Und so finden sich schnurrbärtige Männer in viktorianischen Klamotten auf Hochräder des vorletzten Jahrhunderts ebenso dort ein, wie fast neuwertig wirkende italienische Stahlrenner mit den feinsten jemals hergestellten Campagnolo Super Record Komponenten aus den 1980er Jahren.

L'Eroica

Es ist Sonntag. Der große Tag des Rennens. 5:00h morgens. Der Wecker klingelt. Wach war ich schon vorher. Gefühlt habe ich gar nicht geschlafen. Der Kaffee geht gut rein, mit fester Nahrung ist das schon schwieriger, aber ich werden die Kohlenhydrate brauchen. Ich weiß genau was auf mich zukommt. Vor mir liegen 14h körperliche und emotionale Grenzerfahrung. Es ist noch dunkel, dieses Jahr garnicht so kalt wie erwartet und zum Glück regnet es nicht. Wir mischen uns im Startkanal unter die anderen Mitstreiter und arbeiten uns langsam Schrittweise vor zur technischen Kontrolle. Links von mir steht Erik Zabel und scherzt mit seinen Teamkollegen. In Bruchteilen einer Sekunde kontrollieren vier alte Herren jedes einzelne Bike auf die im Reglement vorgeschriebenen Eigenschaften. Außen verlegte Bremszüge, Rahmenschalthebel ohne Indexierung, Pedale mit Körbchen und Riemchen - hab ich alles zu bieten nur Speichen habe ich eigentlich vier zu wenig. Aber niemand kann so schnell 36 Speichen nachzählen. Zum Glück.

Es geht los. Glücklicherweise geht es erst mal bergab. Es ist leise. Man hört nur den Wind und das rasseln der Freiläufe. Was für ein Gefühl. Genau dafür sind wir hier. Die Tränen in den Augen könnten auch vom Fahrtwind sein, sind sie aber nicht. Aus Erfahrung weiß ich, dass wir noch bitter dafür bezahlen werden, aber jetzt grade ist ein Moment, an dem man die Zeit anhalten möchte.

L'Eroica

Nach einiger Zeit biegen wir ab nach Brolio. Es geht bergauf. Moderat zum Glück und auf Teer. Läuft ganz gut - "pedabile" wie der Italiener sagt. Oben in Brolio genehmigen wir uns erst mal einen Espresso im Cafe del Eroica.

Die Pause tut gut, denn direkt hinter Brolio beginnt die Strada Bianca. Die Strecke sieht magisch aus. Es ist leicht nebelig und am Wegesrand stehen kleine Fackeln. Harry Potter hätte seine reinste Freude hier. Die ersten Mitstreiter steigen ab und schieben. Schieben ist keine Schande auf der Eroica - ich werden später auch noch schieben, aber nicht jetzt, dieses Stück werden ich fahren. Um jeden Preis.

Die hellgrüne Pinarello SLX unter mir schnurrt wie ein Kätzchen, als wäre es 1983. Wäre doch nur mein Körper auch noch so wie 1983, dann wäre das hier alles viel einfacher. Im gleichen Moment in dem ich das denke, werden ich von einem 8o-jährigen überholt. Autsch. Von diesen super-fiten Greisen gibt es viele hier. Irgend wann gewöhnt man sich daran.

L'Eroica

Es bleibt anstrengend. Nur ein Bruchteil der Kraft, die ich auf das Pedal gebe, wird in Vortrieb umgewandelt. Das meiste nimmt sich der Schotter unter mir, der mit martialischem knirschen kleine Steine ins Rollen bringt, anstatt meinen Reifen Grip zu geben.

Endlich erreichen wir die erste Verpflegungsstation. Ein volksfestähnliches Treiben mit netten Menschen in alten Klamotten, die den Eindruck machen, als hätten sie sich das ganze Jahr schon darauf gefreut, an erschöpfte Radfahrer Chianti in Plastikbechern auszuschenken. Es gibt frische Trauben, Marmeladebrot, Salami und Schinken im Überfluss. Kööstlich.

L'Eroica

Nach einer kurzen Pause geht es weiter Richtung Süden. Die Landschaft ist atemberaubend schön, die Wolken am Himmel sorgen für ein malerisches Lichtspiel und bewahren uns vor dem Hitzetod. Die Euphorie hält sich über Stunden, trotz der Schmerzen in den Oberschenkeln und dem feinen weißen Staub zwischen den Zähnen. Jetzt bloß nicht den Abzweig verpassen. Gerade aus geht's nach Montalcino und links geht's nach Hause.

Wir fahren links. Die Strecke über Montalcino ist nicht zu schaffen. Selbst wenn nicht der größte Teil der Strecke auf Schotter wäre und Montalcino nicht auf einem 600m hohen Berg liegen würde, wäre der PERCORSO LUNGO mit 209km einfach zu lang. Wir geben uns mit etwas weniger zufrieden und biegen links ab Richtung Gaiole.

Montalcino hole ich nach, denke ich mir im Geheimen. Zuhause, im Glas. Denn zum Glück kann man das Beste, was Montalcino zu bieten hat, in Flaschen kaufen. Was für ein Glück.
Ab jetzt geht es fast nur noch bergab, bis wir im Licht der letzten Sonnenstrahlen des Tages die Zieleinfahrt in Gaiole erreichen. Wieder mit Tränen in den Augen, völlig erschöpft aber glücklich. Wenn das der Preis ist - wenn man sich 14 Stunden auf italienischem Schotter abrackern muss, um dieses Gefühl zu haben, das ich gerade habe, dann war es das wert. So fühlt sich Held-sein an.

Inzwischen bin ich wieder zuhause. Das Heldentum ist abgeklungen, die Pinarello steht von weißem Toskana-Staub bedeckt im Keller und ich schwelge in Erinnerungen. Da trifft es sich gut, das der Italien-Wein-Spezialist dall-italia.de mir eine Flasche Brunello Biondi Santi hat zukommen lassen. Nicht irgend einen, sondern einen 2010er. Einen der wenigen ausgewiesenen Jahrhundertjahrgänge, die mit von Künstlerhand bemalten Kacheln am Rathaus von Montalcino angeschlagen werden. Wer hätte das gedacht, dass der Moment schon so bald kommen würde, an dem ich meine Montalcino-Reise nachholen kann. Im Geheimen. Zuhause, im Glas.

Brunello Biondi Santi 2010

Eigentlich bin ich für den Jahrgang 2010 noch 10 Jahre zu früh dran. Direkt nach dem Öffnen gibt der Wein sich erwartungsgemäß ziemlich zugeknöpft. Aber mit etwas Trickserei kann ich dem Wein das abringen, was man sonst nur mit Viel Geduld und Zeit erreichen kann. Doppeltes dekantieren und gut 3h Zeit zum Atmen bringen den Wein dann doch dazu, sich langsam zu öffnen.

Im Glas wirkt der Wein fast ein bisschen dünnflüssig. Er hat nicht die visuelle schwere die man sonst vom Brunello kennt, doch der Schein trügt. Riecht man das erste mal am Glas, ist wieder klargestellt, in welcher Liga hier gespielt wird.

Es riecht nach feuchter Erde, und Walderdbeeren. Dazu gesellen sich dezente florale Noten, Wildkirsche, ein Hauch von nassem Gras und wilden Kräutern - wie eine Lichtung mit Morgentau im Wald. Ich bin begeistert! Der Geschmack knüpft direkt daran an - wunderbar modrige Unterholztöne, neues Leder, schwarzer Tee, Fenchel. Reife aber sehr präsente Frucht. Die Tannine noch etwas vordergründig - was zum kauen, wie man so schön sagt. Die Säurebalance auch nicht ganz perfekt aber ich denke das wird noch.

Und so kam es auch. Mit jedem Schluck entdecke ich neue Aromen. Kein Schluck ist wie der andere. Der Wein erzählt eine spannende Geschichte, die über zwei Stunden keine Langeweile aufkommen lässt. Die Tannine sind inzwischen zart wie Seide, die Säure fein integriert. Erstaunlich wie der Wein sich von Minute zu Minute entwickelt. Jeder Schluck bringt neue Nuancen hervor und endet in einem lang anhaltenden Finish.

Fazit

Ein Wein voller Raffinesse, komplex, kraftvoll und majestätisch. Biondi Santi hat alles richtig gemacht, der Tradition treu zu bleiben. Wer Geduld hat, lässt ihn besser noch bis 2030 liegen. Hätte ich eine zweite Flasche - ich würde es tun. Aber mit viel Luft ist er auch jetzt schon ein spektakulärer Brunello.

Il Greppo Biondi Santi

BRUNELLO DI MONTALCINO DOCG, 2010
Toskana, Italien
€ 109,- z.B. bei dall-italia.de

Vielen Dank an dall-italia.de, die mir diesen Wein kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

DRY AGED KOTELETT VOM MANGALITZA SCHWEIN

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Das Mangalitza Schwein macht im direkten Vergleich mit unserem Massentierhaltungs-Turbo-Hausschwein keine besonders gute Figur. Es wächst vier mal langsamer, bringt im Schnitt nur halb so viele Ferkel zur Welt und würde man es mästen, würde es über sein gesundes Normalgewicht hinaus ausschließlich Fett und kein einziges Gramm zusätzliches Fleisch ansetzen.

Keine besonders gute Ausgangsposition, wenn es um den Fortbestand der Rasse geht. Denn das Mangalitza Schwein ist kein Wildschein. Wenn wir es nicht essen, werden wir es nicht züchten und wenn wir es nicht züchten, wird es unweigerlich aussterben.

Das Mangalitza Schwein, wegen seines Fells auch Wollschein genannt, ist eine der ältesten, rein erhaltenen, europäischen Schweinerassen. Nach dem zweiten Weltkrieg schätzte man es wegen seines hohen Fettgehaltes und weil es genügsam und robust ist. Wegen seines Fells und dem vielen Fett kann es das ganze Jahr draußen leben - ist als sowas wie das freilaufende Huhn unter den Hausschweinen.

Der zweite Weltkrieg ist nun aber schon einige Zeit her, jeder in unseren Breitengraden hat in der Regel genug zu essen und tendenziell sind wir alle eher über- als unterernährt und wie das Wollschwein setzen auch wir über unser Normalgewicht hinaus ausschließlich Fett an.

Fleisch kann deshalb heute nicht mager genug sein und sollte irgendwo noch ein Fitzelchen Fett dran sein, wird’s schnell abgeschnitten. Selbst beim Serrano-Schinken wird das Fett abgeschnitten. Kann man eigentlich nicht bringen, wird aber gemacht. Ich hab’s gesehen.

Bei einem gefühlten Fettgehalt von 30% wäre es also schlecht bestellt um das Wollschein, wäre da nicht noch eine klitze-kleine Kleinigkeit: Der Geschmack! Fett ist Geschmack. Das wissen wir spätestens seit Tim Meltzer in einer seiner 2,8 Mio. Kochshows mal großspurig behauptet hat “mit Sahne krieg’ ich auch ‘ne Couch lecker!”. Das ist auch beim Wollschwein so, das Fett trägt massiv zum Geschmack bei - nur dass die Ausgangslage beim Schwein nochmal deutlich besser ist als bei einer Couch.

Das Dry Aged Kotelett mit Knochen stammt von Maarten Jansen einem Niederländischen Züchter, der mit Leidenschaft und Respekt Mangalitza Schweine züchtet. Ein würdevolles Leben in Freiheit und ohne Stress ist schon mal die halbe Miete für gute Fleischqualität, aber eben nur die halbe. Ist das Schweineleben mal vorbei, kommt der Metzger ins Spiel und trägt einen ebenso wichtigen Teil zur Qualität bei. Jedenfalls dann, wenn er es wie Dirk Ludwig macht.

Dirk Ludwig führt den Familienbetrieb “Der Ludwig” in Schlüchtern in vierter Generation. Er hat das Schwein von Maarten Jansen zerlegt und weiterverarbeitet und in seiner Salzkammer, die er “Carnothek” nennt, zu einem Dry Aged Kotelett veredelt. Durch den Trockenreifungsprozess in der Salzkammer verliert das Fleisch zwischen 30 und 40% seiner Flüssigkeit. Rein mathematisch betrachtet müsste alleine dadurch der Geschmack schon mal auf das anderthalbfache steigen aber Trockenreifung ist eben mehr - trocknen und reifen.

Im Vergleich zur traditionellen Fleischproduktion erklärt das auch schon mal zum Teil den Preisunterschied. Da Fleisch zum Kilopreis verkauft wird, muss der Metzger für Dry Aged Fleisch das anderthalbfache verlangen um auf sein Kosten zu kommen, weil das Fleisch nur noch 2/3 seines Ausgangsgewichtes hat. Hätte er es direkt nach der Schlachtung eingeschweißt und im “Wet-Aging”-Verfahren reifen lassen, hätte er viel mehr Fleisch, das aber zum größten Teil aus Wasser besteht. Das ist heute gängige Praxis denn nur so bekommt man billiges Fleisch hin.

Wenn man das mal verstanden hat, ist der Kilopreis von knapp € 40,- garnicht mehr so dramatisch teuer. Für ein Tier, dass in artgerechter Umgebung ein glückliches Leben geführt hat und einen Verarbeitungsprozess, der kompromisslos auf maximalen Geschmack ausgerichtet ist, finde ich das absolut in Ordnung.

Das mit dem maximalen Geschmack hat übrigens geklappt! Ich habe das Kotelett auf dem Grill zubereitet. Auf direkter Hitze am Knochen scharf angebraten und auf indirekter Hitze nochmal 15 min. ziehen lassen. Ein bisschen grobes Meersalz drüber - Köööstlich!

Das Fleisch vom Wollschwein ist eine echte Delikatesse und mit nichts zu vergleichen, was man sonst an Scheinefleisch kennt. Schwein kommt eigentlich auf der Delikatessenhitliste erst relativ weit unten - mal abgesehen von edlen Schinkensorten vielleicht. Mit den Wollschwein ist das anders. Es ist saftig und zart und bietet ein Aromenspektrum, das man von Schweinefleisch so nie erwarten würde. Ja es ist fett aber das gehört so. Wer das nicht will, kann ja einen Salat essen.

Das Dry Aged Kotelett vom Mangalitza Wollschwein wurde mir von “Der Ludwig” zur Verfügung gestellt.