Dreams on a Plate

DRY AGED KOTELETT VOM MANGALITZA SCHWEIN

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Das Mangalitza Schwein macht im direkten Vergleich mit unserem Massentierhaltungs-Turbo-Hausschwein keine besonders gute Figur. Es wächst vier mal langsamer, bringt im Schnitt nur halb so viele Ferkel zur Welt und würde man es mästen, würde es über sein gesundes Normalgewicht hinaus ausschließlich Fett und kein einziges Gramm zusätzliches Fleisch ansetzen.

Keine besonders gute Ausgangsposition, wenn es um den Fortbestand der Rasse geht. Denn das Mangalitza Schwein ist kein Wildschein. Wenn wir es nicht essen, werden wir es nicht züchten und wenn wir es nicht züchten, wird es unweigerlich aussterben.

Das Mangalitza Schwein, wegen seines Fells auch Wollschein genannt, ist eine der ältesten, rein erhaltenen, europäischen Schweinerassen. Nach dem zweiten Weltkrieg schätzte man es wegen seines hohen Fettgehaltes und weil es genügsam und robust ist. Wegen seines Fells und dem vielen Fett kann es das ganze Jahr draußen leben - ist als sowas wie das freilaufende Huhn unter den Hausschweinen.

Der zweite Weltkrieg ist nun aber schon einige Zeit her, jeder in unseren Breitengraden hat in der Regel genug zu essen und tendenziell sind wir alle eher über- als unterernährt und wie das Wollschwein setzen auch wir über unser Normalgewicht hinaus ausschließlich Fett an.

Fleisch kann deshalb heute nicht mager genug sein und sollte irgendwo noch ein Fitzelchen Fett dran sein, wird’s schnell abgeschnitten. Selbst beim Serrano-Schinken wird das Fett abgeschnitten. Kann man eigentlich nicht bringen, wird aber gemacht. Ich hab’s gesehen.

Bei einem gefühlten Fettgehalt von 30% wäre es also schlecht bestellt um das Wollschein, wäre da nicht noch eine klitze-kleine Kleinigkeit: Der Geschmack! Fett ist Geschmack. Das wissen wir spätestens seit Tim Meltzer in einer seiner 2,8 Mio. Kochshows mal großspurig behauptet hat “mit Sahne krieg’ ich auch ‘ne Couch lecker!”. Das ist auch beim Wollschwein so, das Fett trägt massiv zum Geschmack bei - nur dass die Ausgangslage beim Schwein nochmal deutlich besser ist als bei einer Couch.

Das Dry Aged Kotelett mit Knochen stammt von Maarten Jansen einem Niederländischen Züchter, der mit Leidenschaft und Respekt Mangalitza Schweine züchtet. Ein würdevolles Leben in Freiheit und ohne Stress ist schon mal die halbe Miete für gute Fleischqualität, aber eben nur die halbe. Ist das Schweineleben mal vorbei, kommt der Metzger ins Spiel und trägt einen ebenso wichtigen Teil zur Qualität bei. Jedenfalls dann, wenn er es wie Dirk Ludwig macht.

Dirk Ludwig führt den Familienbetrieb “Der Ludwig” in Schlüchtern in vierter Generation. Er hat das Schwein von Maarten Jansen zerlegt und weiterverarbeitet und in seiner Salzkammer, die er “Carnothek” nennt, zu einem Dry Aged Kotelett veredelt. Durch den Trockenreifungsprozess in der Salzkammer verliert das Fleisch zwischen 30 und 40% seiner Flüssigkeit. Rein mathematisch betrachtet müsste alleine dadurch der Geschmack schon mal auf das anderthalbfache steigen aber Trockenreifung ist eben mehr - trocknen und reifen.

Im Vergleich zur traditionellen Fleischproduktion erklärt das auch schon mal zum Teil den Preisunterschied. Da Fleisch zum Kilopreis verkauft wird, muss der Metzger für Dry Aged Fleisch das anderthalbfache verlangen um auf sein Kosten zu kommen, weil das Fleisch nur noch 2/3 seines Ausgangsgewichtes hat. Hätte er es direkt nach der Schlachtung eingeschweißt und im “Wet-Aging”-Verfahren reifen lassen, hätte er viel mehr Fleisch, das aber zum größten Teil aus Wasser besteht. Das ist heute gängige Praxis denn nur so bekommt man billiges Fleisch hin.

Wenn man das mal verstanden hat, ist der Kilopreis von knapp € 40,- garnicht mehr so dramatisch teuer. Für ein Tier, dass in artgerechter Umgebung ein glückliches Leben geführt hat und einen Verarbeitungsprozess, der kompromisslos auf maximalen Geschmack ausgerichtet ist, finde ich das absolut in Ordnung.

Das mit dem maximalen Geschmack hat übrigens geklappt! Ich habe das Kotelett auf dem Grill zubereitet. Auf direkter Hitze am Knochen scharf angebraten und auf indirekter Hitze nochmal 15 min. ziehen lassen. Ein bisschen grobes Meersalz drüber - Köööstlich!

Das Fleisch vom Wollschwein ist eine echte Delikatesse und mit nichts zu vergleichen, was man sonst an Scheinefleisch kennt. Schwein kommt eigentlich auf der Delikatessenhitliste erst relativ weit unten - mal abgesehen von edlen Schinkensorten vielleicht. Mit den Wollschwein ist das anders. Es ist saftig und zart und bietet ein Aromenspektrum, das man von Schweinefleisch so nie erwarten würde. Ja es ist fett aber das gehört so. Wer das nicht will, kann ja einen Salat essen.

Das Dry Aged Kotelett vom Mangalitza Wollschwein wurde mir von “Der Ludwig” zur Verfügung gestellt.