Heute wie versprochen mein Erfahrungsbericht mit der Rocket Evoluzione V2. Zugegebenermaßen emotional komplett verblendet und alles andere als objektiv.

Satte 23kg bringt die Maschine auf die Waage. Davon fallen alleine 4 kg auf die verbaute Faema E61 Brühgruppe, die man auch in den andern Modellen von Rocket sowie in vielen Modellen anderer Hersteller findet.

Das Gehäuse ist aus dickem, hochglanzpoliertem Chromnickelstahl gefertigt. Alles wirkt solide, sauber verarbeitet und großzügig überdimensioniert. Einzig das Typenschild ist schief angeschraubt. Sehr schief.

Für die gewünschten 9 Bar Druck sorgt eine Rotationspumpe, die sonst nur in kommerziellen Gastro Maschinen verbaut wird. Im Vergleich zu den sonst üblicherweise verwendeten Vibrationspumpen ist sie flüsterleise - nur ein leichtes surren ist zu hören, wenn sie ihre Arbeit verrichtet. Sehr schön.

Der Festwasseranschluß ist auch was nettes, auch wenn ich ihn nicht gebrauchen kann - unser Wasser schmeckt einfach nicht, zu viel Sulfat. Ich schütte statt dessen Flaschenwasser in den Tank.

Einstellen kann man an der Maschine genau Garnichts. Und das ist auch gut so, denn sie tut genau das, was sie soll: konstanter Druck und konstante Brühwassertemperatur. Trotzdem hat es mich mehrere Stunden und gut 1kg Espressobohnen gekostet, bis der Espresso so raus kam, wir ich mir das vorgestellt habe. - wie jetzt? ohne einstellen? Ja, richtig - wie so oft steht das Problem vor dem Gerät - oder wie in diesem Fall daneben. Die Mühle.

Aber fangen wir mal ganz von vorne an: Für einen perfekten Espresso braucht es mehrere Dinge, die exakt stimmen müssen:

  • Optimaler Druck und Temperatur - haben wir. Check.
  • guten Kaffee - haben wir. Check.
  • gescheites Wasser - Flaschenwasser von Aldi, carbonatarm, lecker. Check.
  • optimaler Mahlgrad - nicht ganz so einfach, aber machbar
  • optimale Dosis - Übungssache, oder elende Einstellerei
  • richtig tampern - keine große Hexerei

Wie gesagt: Druck und Temperatur macht die Maschine in perfekter Präzision, vorausgesetzt, man lässt Ihr 45 min. Zeit auf Betriebstemperatur zu kommen.

Die Kaffeebohnenauswahl ist in erster Linie Geschmackssache. Kaffee kauft man am besten bei jemandem, der mit Leidenschaft selbst röstet. Privatröstereien gibt es in fast jeder größeren Stadt, oder natürlich im Web. Ich habe mich auf Van Dyck aus Köln eingeschossen. Auf jeden Fall gilt: Finger weg vom Supermarkt regal.

Bei Thema Wasser geht es in erster Linie um Kalk. Wer weiches Leitungswasser hat: Super. Filtern geht auch, wenn man immer brav den Filter wechselt. Sonst wird’s anaerob und das ist ekelig. Billiges, stilles Flaschenwasser vom Discounter ist auch eine gute Wahl, wenn der Carbonatgehalt stimmt. Der kann beim gleichen Produkt regional unterschiedlich ausfallen, deshalb auf jeden Fall auf’s Etikett schauen. Hier geht’s um “Hydrogencarbonat” - alles unter 100mg/l ist aus meiner Sicht in Ordnung (Aldi: 74,0 mg/l).

Jetzt der Mahlgrad. Auch hier geht’s mal wieder um Hardware. Kaffee muss man auf jeden Fall selbst mahlen. Da geht kein Weg dran vorbei. Und zwar für jede Tasse frisch und nur so viel wie man gerade braucht. Bei mir macht das eine elektrische Kaffeemühle namens “Eureka Mignon MCI Timer/Manuale”. Entscheidend für den Geschmack und eine fette Crema ist die Zeit, die das Wasser braucht, um durch das Kaffeemehl im Siebträger zu fließen. Läuft das Wasser zu schnell, gibt’s ‘ne dünne Plörre. Dauert’s zu lange, “verbrennt” der Kaffee und wird bitter. Da die Maschine unbeirrbar mit exakten 9 Bar Wasserdruck aufwartet, müssen wir über dem Mahlgrad des Kaffeemehls die Durchflussgeschwindigkeit steuern. Ob der Mahlgrad stimmt, sieht man daran, wie der Kaffee aus dem Siebträger fließt. Es sollte wie ein “Mäuseschwänzchen” aussehen - wie ich von einem Profi gelernt habe und eine schokoladenbraune Farbe haben. Wenn’s tröpfelt ist der Mahlgrad zu fein. Wenn hellbrauner Schaum rausläuft, ist’s zu grob. hier geht es wirklich um Nuancen - wie gesagt bei mir hat es 1kg Kaffee gekostet, bis alles gestimmt hat. Wechselt man die Kaffeesorte, geht die Einstellerei wieder von vorne los.

Stimmt der Mahlgrad, geht’s an’s Dosieren. Bei meiner Mühle macht das ein Timer, der nach Berühren eines Tastschalters, eine vorher eingestellte Zeit mahlt und dann abschaltet. Der eingebaute Timer lässt sich theoretisch so einstellen, dass genau die richtige Menge Kaffeemehl im Siebträger landet. Hier heißt es mal wieder probieren - einstellen - probieren - einstellen. Kniffelig ist das deswegen, weil nach dem Mahlen noch “getampert” wird. Erst wenn getampert ist, weiß man, ob die Menge stimmt und der Siebträger sich noch in die Brühgruppe schrauben lässt, ohne den Kaffee weiter zu komprimieren.

Beim Tampern wird mit einem Edelstahl-Stempel, dem “Tamper”, das Kaffeemehl im Siebträger komprimiert. Mit Gefühl mit ca. genau ungefähr 10-15kg Druck. Für Grobmotoriker gibt es spezielle Tamper mit Druckfeder-Knack-Schnick-Schnack, wie man’s vom Drehmomentschlüssel kennt. Aber Kenner machen das natürlich mit der Hand.

Wenn das alles stimmt, wird man mit dem besten Espresso der Welt belohnt - oder einem der vielen Milchmischgetränke, die sich daraus zubereiten lassen - vorausgesetzt, man ist in der Lage, gescheiten Milchschaum herzustellen. Aber das ist ein anders Thema, dem ich mich natürlich auch sehr bald annehmen werde.

Fazit

Wer bereit ist, ca. € 2.000 für Maschine und Mühle in die Hand zu nehmen, hat mit der Rocket Evoluzione V2 alles was er braucht, um “den perfekten Espresso” zuzubereiten. Die Maschine ist perfekt verarbeitet, technisch weitestgehend überdimensioniert und zudem eine echte Augenweide.

Gekauft haben ich die Maschine beim Fachhändler meines Vertrauens: Ferrarese in Darmstadt - sehr kompetent, nett und geduldig - mit fast einstündiger Einweisung. Und das bei Preisen, die nicht wesentlich von den einschlägigen Internetangeboten abweichen. Sehr zu empfehlen.